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Innovationstechnologie TRIZ
  TRIZ im Vergleich zu herkömmlichen Kreativitätstechniken

Versuch-und-Irrtum-Methode

Die natürliche und älteste Vorgehensweise bei der Suche nach Ideen oder Problemlösungen kann als „Versuch-und-Irrtum-Methode“ bezeichnet werden. Dieses Verfahren ist nichts anderes als ein gedankliches Durchmustern von bekannten oder nahe liegenden Lösungswegen, auf den persönlichen Erfahrungen und dem Fachwissen der Erfinder basieren. Meist gehen die Ideen in die Richtung der so genannten psychologischen Denkträgheit, wo eine Lösung für das jeweilige Fachgebiet bereits existiert oder erwartet wird.

Nach einigen erfolglosen Denkversuchen wird die Suche nach Lösungsalternativen in der Regel abgebrochen. Falls der Erfinder sie zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzt, beginnt er meist zunächst mit der gedanklichen Wiederholung bereits gemachter Vorschläge. Bei intensivem Nachdenken wird die Aufgabe zum Teil im Unterbewusstsein „verarbeitet“, bis gelegentlich eine Erleuchtung zu einem erfolgreichen Konzept führt.

Diese Arbeitstechnik ist sehr zufallsbehaftet und deshalb schlecht planbar. Sie ist für die Lösung einfacher Aufgaben im eigenen Fachgebiet geeignet, wo die Zahl von Denkversuchen bis zum Erreichen einer zufriedenstellenden Lösung im Allgemeinen kleiner als 10 ist.

Die Wirksamkeit des Versuch-und-Irrtum-Verfahrens kann durch mehr als 100 bekannte Kreativitätstechniken und Methoden gesteigert werden. Trotz der scheinbar großen Vielfalt solcher Techniken nutzen sie aber nur zwei grundlegende Ansätze zur Effektivitätserhöhung des kreativen Denkprozesses - den psychologischen und den systematischen Ansatz.


 

Psychologischer Ansatz und psychologische Kreativitätstechniken

Der psychologische Ansatz besteht in der Reduzierung der Denkträgheit durch die Aufhebung von Denkblockaden und Entfaltung assoziativer Denkfähigkeit von Menschen. Die Zahl von Ideen in verschiedenen unerwarteten Richtungen und die Wahrscheinlichkeit, durch einen „genialen“ Einfall eine gute Lösung zu finden, wird gegenüber der einfachen Versuch-und-Irrtum-Methode erhöht. Die Anwender erhalten aber keine Richtungsweisung für die Lösungssuche. Der psychologische Ansatz liefert gute Ergebnisse bei einfachen Aufgabenstellungen, die „in einem Zug“ gelöst werden können, wo die Zahl von Denkversuchen bis zum Erreichen einer zufriedenstellenden Lösung kleiner als 100 ist.


Eine Reihe von Kreativitätstechniken basieren auf dem psychologischen Ansatz. Die bekanntesten sind Brainstorming und seine zahlreichen Modifikationen (Brainwriting, Methode 6-3-5 u.a.), die Synektik, die Reizwortmethode u.a.

Zu den vier einfachsten psychologischen Kreativitätstechniken gehören:
Analogie - Suche nach einer ähnlichen Lösung aus der Natur oder
Umgebung.
Inversion - Suche nach einer umgekehrten Wirkung, z.B. Objekt auf
den Kopf stellen.
Empathie - ein Erfinder soll sich in ein Objekt hineinversetzen, seine Lage reflektieren und dabei nach neuen Lösungsideen suchen.
Fantasie - Suche nach fantasievollen Ideen.

Die Lösungssuche beim Brainstorming (Autor: Alex Osborn) erfolgt in zwei Etappen - Ideengenerierung und Ideenbewertung. Während der Ideengenerierung gilt das Prinzip „Quantität vor Qualität“.

 

In entspannter Atmosphäre sollen die Teilnehmer spontan so viele Ideen wie möglich generieren, ohne Rücksicht auf ihre Realisierbarkeit. Jeder Vorschlag soll von der Gruppe aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Zur Kreativitätssteigerung wird jegliche Kritik während der Sitzung strikt verboten. Die Teilnehmer sollen nach Möglichkeit unterschiedliche Fachgebiete vertreten.

 

Erfahrungsgemäß kann ein Team von 10 Personen 50 bis 60 Vorschläge machen, die allerdings oft entweder trivial oder zu fantasievoll sind. In der zweiten Phase erfolgt die Bewertung gemachter Vorschläge, die in der Regel in 3 bis 4 erfolgsversprechende Ideen umgesetzt werden können.

 

 

Systematischer Ansatz und systematische Kreativitätstechniken

Der systematische Ansatz bringt Ordnung in den Prozess des Durchmusterns von möglichen Lösungsalternativen. Zu den bekanntesten systematischen Kreativitätstechniken gehören die Morphologische Analyse mit ihren Modifikationen, zahlreiche Fragelisten und -kataloge sowie die Funktionsanalyse.

Nach dem Prinzip der Morphologischen Analyse (F. Zwicky) wird ein Objekt gedanklich in seine Bestandteile (Morpheme) zerlegt. Für jeden Bestandteil sollen im nächsten Schritt alle denkbaren Ausführungsvarianten niedergeschrieben werden. Die dadurch entstandene morphologische Matrix (mit 3.Dimension: morphologischer Kasten) erlaubt es, sämtliche Ausführungskombinationen des Objekts systematisch auszuwerten. Eine sehr hohe Zahl von Varianten führt aber häufig zur Verwirrung. Zum Beispiel entspricht einem Objekt mit drei Komponenten mit jeweils 10 Ausführungsvarianten eine dreidimensionale Matrix mit bereits 1000 Gestaltungsmöglichkeiten.

In der Praxis liefert der systematische Ansatz gute Ergebnisse bei Aufgaben, bei denen die Zahl von Denkversuchen bis zum Erreichen einer zufriedenstellenden Lösung geringer als 100 ist.

 

Beispiel einer zweidimensionalen morphologischen Matrix
Segelschiff = Rumpf + Segel
 

Wissensbasierter Ansatz und gezielte Lösungssuche mit TRIZ

Psychologische und systematische Kreativitätstechniken sind lediglich eine Modifizierung des natürlichen Versuch-und-Irrtum-Suchverfahrens. Diese Methoden lassen sich einfach modifizieren und kombinieren. Das erklärt ihre scheinbare Vielfältigkeit. Sie versagen bei schwierigen Aufgaben mit einem sehr grossen Suchfeld und hoher Zahl (1000...10000) von potenziellen Denkversuchen.

Im Gegensatz zu den Versuch-und-Irrtum-Methoden berücksichtigt der wissensbasierte Ansatz objektive Entwicklungsmuster in der Technik und verfügt über abstrakte Problemlösungstechniken. Entdeckung und Systematisierung dieser Gesetze und Innovationsprinzipien erfolgte im Rahmen der Entwicklung der Erfindungstheorie TRIZ.

Mit Hilfe von TRIZ können die Zielkorridore zu den so genannten Idealen Endresultaten (IER) festgelegt werden, die durch die Überwindung technischer Widersprüche zeitsparend zu mehreren starken Lösungsalternativen führen.

Psychologische Kreativitätstechniken können den wissensbasierten TRIZ-Ansatz bei der Aufhebung von Denkblockaden unterstützen. Systematische Methoden (Morphologische Analyse, Funktionsanalyse) werden oft in der Phase der Problemformulierung und für die Weiterentwicklung bereits gefundener Konzepte erfolgreich verwendet.

 

Die Effektivität der Anwendung im Vergleich

Die Effektivität der Anwendung von Kreativitäts- und Erfindungstechniken hängt in der Praxis vom Komplexitätsgrad von Aufgaben ab. Nach der von G. Altschuller vorgeschlagenen Klassifizierung (siehe Tabelle 4) gibt es in erster Näherung fünf Ebenen von Innovationen, die sich durch die Zahl von Denkversuchen bis zum Erreichen einer Lösung und durch die Größe des Suchfelds unterscheiden. Die psychologischen (Brainstorming) und systematischen (Morphologische Analyse) Kreativitätstechniken liefern gute Ergebnisse auf den unteren Ebenen. Die wissensbasierte TRIZ-Technologie reduziert die Zahl von „leeren“ Denkversuchen und ermöglicht dadurch wie keine andere Kreativitätstechnik eine schnelle und zielgerichtete Ideenfindung vor allem bei schwierigen Aufgaben.

Autor: Dr.-Ing. Pavel Livotov