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Innovationstechnologie TRIZ
  76 Standardlösungen von Erfindungsaufgaben

Die Prinzipien und die Tabelle ihrer Anwendung gehören zu den einfachsten TRIZ- Werkzeugen. Die Analyse komplizierterer Aufgaben ergab aber, dass sie erst durch den gleichzeitigen Einsatz mehrerer elementarer Prinzipien mit Hilfe physikalischer Effekte zu lösen sind. Solche besonders starke und stabile Kombinationen der Prinzipien und Effekte bilden das System der Standardlösungen von Erfindungsaufgaben.

 

TRIZ-Standards sind allgemeine Regeln zur Synthese und Umwandlung technischer Systeme (TS). Sie beruhen auf der Grundlage der Entwicklungsgesetze von TS. Mehrere Standardlösungen stellen direkt die praktischen Anwendungen dieser Gesetze dar. Das moderne System der Standardlösungen prägt eine strukturierte und hochsystematische Arbeitsweise und kann darüber hinaus zur Prognose technischer Produktentwicklung verwendet werden. Es besteht aus 5 Klassen von insgesamt 76 Standards:

 

• Klasse 1: Synthese und Umwandlung technischer Systeme.
• Klasse 2: Entwicklung und Effektivitätserhöhung der TS.
• Klasse 3: Übergang der TS zum Obersystem und von Makro- auf Mikroebene.
• Klasse 4: Messung und Ortung in technischen Systemen.
• Klasse 5: Überwindung physikalischer Widersprüche in TS. Hilfsmethoden zur Anwendung von Standards.
 

Stoff-Feld  Analyse
Die Standardlösungen operieren mit den abstrahierten Modellen technischer Systeme, die mit Hilfe der so genannten Stoff-Feld-Analyse leicht zu erstellen sind. Jedes technische System kann in den Begriffen der vorhandenen Stoffe, Felder und deren Wechselwirkung dargestellt werden. Als Stoffe bezeichnet man Objekte oder Teile des Systems unabhängig von ihrem Komplexitätsgrad. Unter den Begriff „Feld“ fallen nicht nur vier klassische physikalische Felder, wie elektromagnetisches Feld, Gravitationsfeld, sowie Felder starker und schwacher Wechselwirkung. In der TRIZ beinhaltet der Terminus „Feld“ auch alle möglichen „technischen“ Felder, wie Temperaturfeld (Wärmefeld), Feld der Zentrifugalkräfte, Druckfeld, akustisches Feld usw. Wird ein Stoff-Feld-Modell eines Systems formuliert, kann eine passende Standardlösung schnell vorgeschlagen werden. Betrachten wir zur Demonstration einen Standard, einen von insgesamt 76.

 

 

Beispiel - Rohrleitung für Metallkugeln

Durch eine Rohrleitung mit vielen Bögen werden mit Hilfe eines Luftstroms kleine Metallkugeln transportiert. Aufgrund der Stoßwirkung der Kugeln nutzen sich die Rohrwände an den Krümmungen sehr schnell ab. Zusätzliche Schutzbeläge (typische Kompromisslösung) haben zwar eine höhere Standzeit, verschleißen sich aber trotzdem. Was ist zu tun?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild präsentiert das Ergebnis. Zwischen der Rohrwand und dem Kugelstrom wird eine Schicht von denselben Kugeln platziert. Die Kugeln liegen entweder in einer Tasche der Rohrleitung oder werden in einer anderen Variante mit einem Dauermagneten festgehalten. Die strömenden Kugeln prallen nicht mehr gegen die Wand sondern gegen andere Kugeln. Wird eine der festgehaltenen Kugeln herausgeschlagen, so wird ihr Platz von einer anderen eingenommen. Der technische Widerspruch ist gelöst: es gibt keine Abnutzung in den Rohrbögen mehr. Nach dem gleichen Standard kann auch ein Problem aus einer anderen Branche bewältigt werden.

 

Beispiel - Tragflächen von Schnellbooten

Die Tragflächen von Schnellbooten werden oft der Kavitationswirkung (hydrodynamische Erosion) des Wasserstroms ausgesetzt. Kleine implodierende Luftbläschen zerstören allmählich selbst hochfeste Unterwasserflügel der Boote. Es gibt offensichtlich eine schädliche Wechselwirkung zwischen zwei Stoffen: Wasser und Metall, die laut o.g. Standard mit Hilfe der Modifizierung eines der bereits vorhandenen Stoffe beseitigt werden kann. Betrachten wir zunächst ein „modifiziertes Wasser“ (z.B. Eis oder Dampf) und kommen sofort auf die Lösung: ein Teil der Unterwassertragfläche wird gekühlt und auf ihm entwickelt sich eine dünne aber ständig erneuerbare Schutzschicht aus Eis.

 

An diesen diesen Beispielen wird auch deutlich, warum man als einzuführenden dritten Stoff eine Modifikation eines der vorhandenen Stoffe benutzen sollte. Ein „fremder“ Stoff passt meistens nicht ohne Komplikationen in das ihm „fremde“ technische System.

Autor: Dr.-Ing. Pavel Livotov